Freitag, 27. Januar 2006

Das XI. Mainzer Kolloquium im Schnelldurchlauf

Für alle, die – aus welchen unerfindlichen Gründen auch immer – nicht beim heutigen Kolloquium zum Thema „Neue, unabhängige Verlage als Chance für den Verlagsstandort Deutschland?“ anwesend waren, gibt es hier eine kurze Rückschau.
Nach ein paar einleitenden Worten seitens Prof. Dr. Stephan Füssel, der auch durch das gesamte Programm führte, gab Nils Kahlefendt eine kritischen Überblick über die Welt der auch Kleinverlage Genannten. Kritisch insofern, als er dem Slogan „Small is beautiful“ nicht uneingeschränkt zustimmen wollte, auch mit dem Hinweis, dass nicht überall, wo „Independent“ draufsteht, auch „independent“ drin sei, oder dass umgekehrt auch „Riesen“ schon das ein oder andere „gute“ Buch hervor gebracht hätten. Kritisch aber ebenso in der Hinsicht, dass sich die Kleinen nicht einfach so, nur weil sie so schöne Bücher machen (und so beliebt sind, weil man sie nicht fürchten muss, so Kahlefendt) auf dem Markt halten können und oft früher oder später von den Großen gefressen werden. Und kritisch ebenso, weil eben auch die kreativen Jungen – sofern sie es so lange überhaupt schaffen – einmal älter werden, weil auch sie, wenn sie auf lange Sicht draußen überleben wollen, wie „richtige“ Verleger planen und kalkulieren müssen. Aber dennoch will Kahlefendt hinter das Tagungsmotto ein Ausrufe- statt eines Fragezeichens setzen, denn: Der Verlagsstandort Deutschland braucht sie, die neuen, unabhängigen Verlage mit ihren Ideen, ihrer Motivation und ihren Anregungen, als Gegenpol zu den alt gewordenen Routiniers.
Sozusagen als Anschauungsmaterial gab es dann Vertreter verschiedener Klein- und Nischenverlage zu hören. Daniela Seel von kookbooks hatte ihre ganze Begeisterung für ihren Verlag, der aus einem Projekt heraus entstanden ist, nicht nur mitgebracht, sondern sie schaffte es auch, diese auf die zahlreichen Zuhörer zu übertragen. Von finanziellen Fragen wolle sie nichts wissen, stellte sie gleich zu Beginn ihres lebhaften wie emotionalen Vortrags klar, so dass zu diesem Punkt nicht einmal Rückfragen gewagt wurden. Wichtig sei ihr hingegen, dass sich das einfach so entwickelt habe. Sie verlegt auch nur Bücher, die ihr gefallen, weil sie sie schließlich nach außen hin vertreten muss, und das könne sie nicht mit schlechten Büchern. Sie will auch mit der Gestaltung der Bücher mit Konventionen brechen und fragen, warum denn etwas nicht gehen soll, nur weil es unüblich ist, so mit gestürzten Titeln auf dem Cover. Sehr wichtig sind ihr die Personen, mit denen sie zusammen arbeitet, sowohl in Sachen Grafik oder Satz als auch Autoren, die sie großenteils bereits vor der Verlagsgründung kannte. Ziel dieser Gründung sei es gewesen, dass, was sie gut fand, in die Praxis umzusetzen. Warten, dass ihr jemand eine Tür öffnet, kenne ihr Lebensgefühl nicht, und die Verlagsarbeit – die übrigens nicht ausreicht, um davon zu leben – sei ihr Leben und umgekehrt. Eine Planung für die Verlagszukunft gebe es nicht.
Ähnliche Erfahrungen brachte Lars Birken-Bertsch mit, der den blumenbar-Verlag vertrat. Wenn man irgendwie ankommen wolle, müsse man eine Nische besetzen. Und: Für die Durchsetzung der Bücher sei vor allem der Vertrieb sehr wichtig. Außerdem gelte es, Autoren zu finden, die man dann auch längerfristig an den Verlag binden könne. Bis jetzt sind beim blumenbar-Verlag erst zwanzig Bücher erschienen, was auch daran läge, dass nicht jeder gute Text auch ein Buch sei. Zudem müsse man sich ja auch überlegen, ob ein Buch am Ende auch Leser finden könnte. Wenn ein Buch erst einmal in einer Buchhandlung ausliege, werde es auch gekauft, doch es bis zum Buchhändler zu bringen, erfordere viel selbstbewusstes Auftreten und Überzeugungskraft, wieso es denn unter den Unzähligen ausgerechnet dieses Buch sein soll. Schließlich, so Birken-Bertsch, brauche niemand diese Bücher.
Ganz anders äußerte sich da Dr. Jörg Meidenbauer von der Verlagsbuchhandlung Martin Meidenbauer (die ihren Namen erhielt, weil man in der Wissenschaftsverlegerbranche einen traditionsreich klingenden Namen braucht; Meidenbauers Kollege heißt mit Nachnamen Martin ...). Seine Bücher seien nicht „nice to have“, sondern „must have“. Ansonsten erkannte er aber, ebenso wie Dr. Mark Lehmstedt (Lehmstedt-Verlag), viele Gemeinsamkeiten mit den vorher vorgestellten literarisch ausgerichteten Verlagen, auch wenn er mehr als Geschäftsmann mit festen Zielen und Blick auf die Zahlen an die Sache herangeht. Er erschloss sich seinen Kundenkreis zunächst über Adressen alter Schul- und Uni-Bekannter, von denen er glaubte, dass sie eventuell zu seiner Zielgruppe gehören könnten. Für einen wissenschaftlichen Verlag sei außerdem, anders als bei einem belletristischen, die Breite des Programms von großer Bedeutung, deshalb sind dort die Titelzahlen mit fünfzig im Jahr um einiges höher. Auch Rezensionen seien wichtig, egal ob positive oder negative – Hauptsache, über das Werk wird gesprochen.
Lehmstedt, der vor der Verlagsgründung eine Zeit lang arbeitslos war (womit die Gründung also keinen reinen Ausdruck von Freude am Buch, sondern eher ein Krisenphänomen darstellt), beklagte die miserable Ausstattung von Büchern regionaler Verlage. Sein Verlag wolle die Bücher auch gut lektorieren und kunstvoll gestalten. Das Problem von Regional-Verlagen sei die kleine Zielgruppe, die zwar zum Teil direkt bekannt und somit ansprechbar ist, jedoch nur aus Anwohnern der Region (hier Leipzig), durchreisenden Touristen und Weggezogenen, welche zudem schwer zu erreichen seien, besteht. Die Verlagswerke seien aber nicht alle nur von regionalem Interesse, sondern teilweise durchaus auch für Literatur, Geschichte oder Sozialwissenschaften von Belang. Lehmstedt habe schon manche Entdeckung gemacht, bei der nicht nur er, sondern auch die Rezensenten fragen mussten, warum diese Sammlungen oder Dokumente nicht schon längst veröffentlicht worden waren. Und auch er versäumte es nicht, die Schwierigkeiten in Sachen finanzielle Unterstützungen (die er glücklicherweise nie erwartet habe) oder Kreditaufnahmen anzuprangern.
Prof. Dr. Christoph Bläsi von der Universität Erlangen wollte den Kleinverlagen schließlich ein wenig Mut machen. Zwar hätten die bereits etablierten Konzerne in vielen Bereichen Vorteile, doch biete das Internet Möglichkeiten, die einem eher nützten, wenn man eine bestimmte, eng eingegrenzte Zielgruppe ansprechen wolle, als wenn es um die breite Masse gehe. Und beispielsweise die Google Adwords seien, bei denen man einen bestimmten Begriff festlegt, bei dessen Eingabe ein Banner des Verlags eingeblendet wird, seien auch gar nicht so teuer, weil man nur entsprechend der Abrufzahlen zu zahlen hätte. Die Verleger sahen jedoch auch hier hohe Kosten und geringe beziehungsweise nicht kontrollierbare Effektivität. Sie könnten nur Geld für PR- oder Werbemaßnahmen ausgeben, wenn deren Erfolg sich mit großer Sicherheit auszahlen würde. Zum Teil würde allerdings über Internetportale von Fans über ihre Bücher gesprochen, also völlig ohne ihr Zutun gute Werbung gemacht.
Man sieht, ein spannendes Thema, über das man noch länger hätte diskutieren können. Eines war auf jeden Fall mitzunehmen: Eine Verlagsgründung und vor allem –führung ist kein bloßes Vergnügen, doch wer die nötige Liebe zum Buch, den Unternehmergeist (auch wenn die Redner immer wieder betonten, dass sie das Rad nicht neu erfunden haben), eine gehörige Portion Selbstvertrauen und Durchhaltevermögen, aber vor allem auch Freude an der Betreuung eines Buchembryos bis zu seiner Reife mitbringt, der kann es durchaus wagen –und dabei gewinnen. Wenn auch nicht den großen Euro.

Verhext

oder: Wie man auch seinen Freitag Nachmittag verbringen kann...:

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Und wieder gehts um die erste Sendestunde.
Wiedereinmal wird hier also (demnächst!) die zweite Sendestunde vor der ersten Sendestunde veröffentlicht.

Und im Knast gibts hoffentlich ein neues Laufwerk!
(Nein an dem lags nicht; ich hab mehrere Laufwerke getestet...)

Lobby Wars

Heise Online erläutert die gestrige Anhörung zum 2. Korb der Urheberrechtsreform.

Bezeichnend: Die Pressemitteilung des Börsenvereins liegt bereits seit gestern nachmittag vor; vom Deutschen Bibliotheksverband kam noch nichts...

"Die Vermessung der Welt"

Felicitas von Lovenberg analysiert in der FAZ von vorgestern den Erfolg von Daniel Kehlmanns Bestseller.

Edit Wars

politik-digital interviewt Erik Möller, Wikipedia-Aktivist und Autor des sehr empfehlenswerten Buchs "Die heimliche Medienrevolution. Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern"

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Kulturzeit, heut abend 19:20 Uhr, 3sat über...
"Wildwest-Methoden" und aggressive(n) Verkaufsstrategien von Buchhandelsmonopolisten

[via Teletaucher]

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